Ich bin sauer. Gerade gehe ich zu meinem Lieblingskiosk in der Skalitzer Straße, Dusk till Dawn. Noch ein alkoholfreies Kaltgetränk als Dreingabe zu Gericht Nummer 1 vom Vietnamesen nebenan. Hayati hat schlechte Laune, ich wenig später auch (s.o.).
Der Grund dafür ist so simpel wie vorhersehbar. Die Stadt hat mal wieder eine überragende Idee, wie man den Kiez für uns Anwohner hier „schöner“ gestalten kann. Und die geht so: ab diesem Sommer sollen die Spätis, Restaurants, Läden und Imbisse doch bitte den Bürgersteig nicht mehr nutzen. Keine Tische, keine Auslage, sonst Ordnungsgeld.
Macht ja auch Sinn. Schließlich kam es in der Vergangenheit auf dicht gedrängtem Pflaster immer wieder zu schmerzhaften Begegnungen zwischen Sitzern, Passanten und Fahrradfahrern. In allen Variationen. In Zukunft soll es wieder amtlich gesittet zugehen: entweder gehen oder Fahrrad fahren. Wozu sonst soll ein Bürgersteig inklusive Radweg auch gut sein?
Zum Beispiel für ein bisschen Leben. Das nämlich steht der eh schon kahlen Skalitzer wesentlich besser als ihre Rolle als überforderte Durchfahrtsstraße. Wie wäre es denn damit, dass die Stadt sich mal erkundigt, was die Leute hier im Kiez wirklich wollen? Eine einspurige Straße mit Streifen für die heiß geliebten Velos vielleicht, inklusive sommerlichem Tummeln auf einem breiten, verkehrsberuhigten Bürgersteig zum Beispiel. Könnte ja sein.
Aber anstatt an Anwohner, Kiezkultur und die liebe Umwelt zu denken, muss man es natürlich den Schwächsten, also den kleinen, lokalen Geschäften, noch ein bisschen schwerer machen. Alles für König Auto und seinen Versorger, den Augenschmaus namens Shell-Tankstelle, von jeher Mittelpunkt des Stadteils. Nicht.
Was nützen Lippenbekenntnisse des Senats, die Situation für Radfahrer wirklich (!) zu verbessern, die Stadt grüner zu machen und die Berliner Kiezkultur zu bewahren – wenn nicht zu fördern –, sobald es darum geht, mal wirklich ein (klitzekleines) bisschen Farbe zu bekennen und den eh schon Übervorteilten auch mal etwas aufzubürden, um diese Ziele zu erreichen?
Offensichtlich nicht viel. Und man kommt nicht umhin zu denken: da geht er hin, mein Kiez. Und Hayati schaut ratlos drein. Wie sein Laden ohne die durstigen Kehlen vor der Tür auskommen soll, weiß er auch nicht. Es ist zum Kotzen. Echt jetzt.