Im Kräftemessen zwischen Google und den Verlagen scheint man einen Schritt aufeinander zu gemacht zu haben. Der Konzern aus Kalifornien kündigte gerade an, ein Programm zu starten, mit dem er innovative journalistische Ideen in Europa fördern wolle. 150 Millionen Euro sollen in den kommenden drei Jahren durch einen Fonds bereitgestellt werden. An dem Projekt mit dem malerischen Namen Digital News Initiative sind zunächst acht renommierte europäische Medien beteiligt, darunter die Financial Times und der Guardian aus Großbritannien, Les Échos aus Frankreich, NRC Media aus den Niederlanden, La Stampa aus Italien, El País aus Spanien, sowie die ZEIT und Frankfurter Allgemeine Zeitung aus Deutschland. Mit Google sollen sie sich außerdem in einer Arbeitsgruppe austauschen. Zwar steht das Programm in Zukunft auch Start-ups und reinen Onlinemedien offen, die Zusammensetzung der Gründungsmitglieder verrät jedoch Ziel und eigentlichen Adressaten.
In Frankreich läuft bereits seit längerem ein ähnliches Programm, durch das sich Google der lästigen, wenig publikumswirksamen Streitereien mit den Printverlegern zu entledigen suchte. Nun also wird dieses Prinzip des digitalen Ablasshandels auf ganz Europa übertragen. Heißt das, dass die Verlage sich mit ihren Wünschen – unter anderem manifestiert in einer Peinlichkeit namens Leistungsschutzrecht – ein Stück weit durchgesetzt haben? Mitnichten.
Zwar dürften die Partner sich über den warmen Geldregen freuen, der große Gewinner dieses Deals ist jedoch das Unternehmen aus Mountain View. In Zukunft wird es selbst für unbeteiligte Medien schwer sein, Googles Umgang mit journalistischen Inhalten medienwirksam zu kritisieren, ohne sich einen blinden Fleck attestieren lassen zu müssen. Die tun schließlich was! Auch der Leistungsschutzlobby dürften die eh schon spärlich gesäten Argumente langsam ausgehen, selbst wenn man sich nach wie vor nicht zu schade ist, absurde Forderungen aufzustellen (6% des deutschlandweiten Umsatzes von Google, der auf 3-6 Milliarden € geschätzt wird).
Ein weiteres Problem ist die chronische Naivität der Verlage im Umgang mit dem Netzriesen, der jährlich den Umsatz eines Kleinstaates erwirtschaftet. Wenn die Zeit schreibt, man wolle sich in der Arbeitsgruppe „mit Google darüber austauschen, wie Bedürfnisse von Verlegern stärker in den Google-Produkten berücksichtigt werden können“, möchte man die Hamburger in den Arm nehmen und fest drücken – nachdem man ihnen eine gewischt hat. Andersherum wird ein Schuh daraus: Google findet in der Arbeitsgruppe die perfekte Plattform, um dem hiesigen Journalismus seine DNS zu injizieren. Die faktisch eh schon bestehende Abhängigkeit der Medien vom Klicklieferanten wird so durch kleine Münze um ein paar weiche Faktoren (wie das latente Mitdenken der Google-Interessen) und ein paar harte (wie Geld und Technik) verstärkt. Im Gegenzug erhalten die darbenden Verlage etwas Aufschub, der es ihnen erlaubt, den Übergang vom alten Status quo in den neuen mit der Unterstützung eines vermeintlich wohlmeinenden Diktators schmerzloser zu gestalten.
Etwas ketzerisch könnte man sich jetzt freilich erkundigen, wie es denn beim sogenannten Qualitätsjournalismus um die Glaubwürdigkeit bestellt ist, wenn er einem Monopolisten aktiv dabei hilft, seine Vormachtstellung zu festigen, bloß um die eigene Haut zu retten. Gerade im Hinblick darauf, dass Google bis vor kurzem für nicht wenige noch der Teufel in Pixelgestalt war, scheint die Frage nach Haltung nicht gänzlich unberechtigt. Weniger aufgeregt könnte man den Verlagen zumindest Kooperationsbereitschaft bescheinigen. Und Einsicht. Einen Kampf, den man nicht gewinnen kann, verloren zu geben, ist schließlich auch eine Qualität.
Eine Version dieses Textes erschien im Freitag 18/15