Quentin Dupieux ist die Art Künstler, an dem sich die Geister scheiden. Für die einen ist er der Genius, der Ed Banger, dem Label, das seit ca. einem Jahr selbst in den iTunes-Bibliotheken hiesiger Indiemädchen überproportional häufig vertreten ist, fehlte. Wieder andere halten ihn für ein begnadeten Generalisten, der sich an Film und Kunst versucht, dessen Werke fernab der Musik aber bis dato bestenfalls als Achtungserfolge wahrgenommen wurden. Das Gros der Ottonormalverbraucher wird jedoch bei seinem Alias Mr. Oizo vor allem an eine Puppe denken.
Noch knapp 10 Jahre nach seinem durchschlagenden Erfolg mit „Flat Eric“, dem neurotisch zuckenden, gelben Etwas, das uns Faltenhosen schmackhaft machen wollte, kämpft Dupieux seinen Kampf gegen Windmühlen. Dass sich seine neue Platte „Lambs Anger“ jetzt mit einer Referenz an den „Andalusischen Hund“, einen in 1928 erschienen Stummfilm von Luis Buñuel und Salvador Dali, der vor allem Surrealisten und Freudianer auf den Plan rief, schmückt, ist kaum verwunderlich. Dupieuxs Umgang mit der eigenen Person, Umfeld und Geschichte wirkt eigenwillig, bisweilen exzentrisch. In jedem Falle aber gewinnt man den Eindruck, es mit einem Menschen zu tun zu haben, der ein gespaltenes Verhältnis zu sich, seinen Erfolgen und Niederlagen, sowie den Mechanismen des Marktes hat, dem er versucht, seine Kunst näher zu bringen.
Beim Interview selbst wirkt der Franzose angespannt, manchmal flapsig, jedoch immer wach und darauf bedacht, klarzustellen, dass er es sein will, der seine Geschichte schreibt. Ein Unterfangen das mitunter schwierig sein könnte, bedenkt man, dass gleich seine erste Single einen stattlichen Stempel im Gedächtnis der Mediengesellschaft hinterlassen hat.
Dein neues Album ist gerade erschienen. Das Artwork, eine Referenz an Buñuels bzw. Dalis „Andalusischen Hund“, fällt dabei wortwörtlich ins Auge. Es entsteht der Eindruck, du würdest dich auf tragische Weise von deinem Alter Ego „Flat Eric“ verabschieden.
O: Nein, dabei handelt es sich in erster Linie um eine Ehrerbietung an Buñuel und Dali und deren großartigen Kurzfilm. Ich finde es aber unterhaltsam, dass sich alle darüber den Kopf zerbrechen. Es ist witzig zu sehen, dass sich Jugendliche im Internet darüber unterhalten und herausfinden, dass es sich dabei um den „Andalusischen Hund“ handelt. Ein Stück weit möchte ich damit auch das Interesse an Kunst fernab des Mainstreams wecken, so kann man den Jüngeren ein bisschen was mit auf den Weg geben. Etwas zum Nachdenken, Kultur.
„Flat Eric“ lebt also weiter. Damals allerdings hast du im Affekt ein Album veröffentlicht mit dem die meisten Hörer nicht viel anfangen konnten.
O: Ja, es war definitiv eine Antwort auf den Erfolg, weil ich der Überzeugung war, dass dieser für das, was es war, ein paar Nummer zu groß ausgefallen ist. Es war schließlich ein einfacher Beat, den ich für einen Werbeclip mehr oder weniger hingerotzt habe.
Also wolltest du die Leute überrumpeln?
O: Ja, es war eine art Teenagerebellion. Ich wollte allen sagen „Fuck off! Ich bin mehr als das, ich kann auch etwas Härteres, Kreativeres machen“. Es war sozusagen eine Trotzreaktionauf den Erfolg.
Danach hast du eine ganze Weile nichts mehr veröffentlicht. Vieles von dem, was du in der Zwischenzeit angefangen, aber nie beendet hast, hast du als „Scheiße“ bezeichnet. Das klingt ein wenig nach Quarterlife-Crisis.
O: Nein, ich bin immer glücklich mit „Flat Eric“ und dem Drumherum gewesen, aber offensichtlich kam das alles viel zu früh. Ich war gerade erst dabei anzufangen, Musik zu machen, hatte keine Erfahrung. Der Erfolg war mir dann einfach zu groß und schien nicht angemessen für ein eher lapidares Stück Musik. Das hat mich retrospektiv definitiv blockiert und mich daran gehindert, etwas Neues zu machen.
Eigentlich verstehst du dich ja auch mehr als Filmer denn Musiker, richtig?
O: Ich habe angefangen Filme zu machen, als ich vielleicht 12 war. Hauptsächlich Kurzfilme. Als kleines Kind war ich besessen vom „Texas Kettensägen Massaker“, also hab ich versucht, solche Sachen im Garten meiner Eltern nachzustellen, irgendwo in einem Pariser Vorort. Mit 20 wollte ich dann mehr in die Comedy-Ecke. Das ist aber alles immer ein bisschen dunkler gewesen, als man es vielleicht bei Comedy erwarten würde, schwierig zu beschreiben. Mit Musik hab ich eigentlich nur angefangen, um sie über meine Kurzfilme zu legen. Da war ich vielleicht 18. Tanzmusik wurde das erst, als ich Laurent Garnier kennen gelernt habe, der mich dazu animierte ein bisschen Blödelmusik zu machen. In erster Linie verstehe ich mich aber weiterhin als Filmemacher, richtig. Die Musik ist nur spaßiges Beiwerk.
Du arbeitest jetzt nur noch digital, wann und warum hast du damit angefangen?
O: Vor 5 Jahren. Anfangs habe ich allerdings noch versucht, das alte Zeug an meinen Rechner anzuschließen. Ich habe eine ganze Batterie an Equipment, die sich über die Jahre angestaut hat. Es war eine wahre Obsession, immer neues auszuprobieren und zu kaufen. Dementsprechend ist z.B. „Moustache“ in einer Halbwelt aus Computern und analogem Equipment entstanden. Inzwischen bin ich aber komplett auf Computer umgestiegen, weil ich denke, dass man damit besser arbeiten kann.
Das lässt sich auch gut raushören, „Analog Worms Attack“ klang noch wesentlich organischer als deine letzten beiden Werke.
O: Ja, „Analog Worms Attack“ wurde z.B. noch auf Tape aufgenommen. Aber ich denke, es ist inzwischen kein Problem, mit der heutigen Technik diesen Effekt zu reproduzieren. Zumindest wenn man sich schlau genug anstellt.
Auf „Moustache“ lässt sich auch erkennen, dass du moderner Tanzmusik etwas mehr Respekt zollst, wenn man es mit dem noch sehr experimentellen, konzeptuellen „Analog Worms Attack“ vergleicht.
O: Ich kann nur sagen, dass ich mit dem zweiten Album so lange warten musste, bis ein wirklich neuer Antrieb da war. Zwei mal das gleiche Album aufzunehmen wäre langweilig gewesen. Deswegen sind die drei Alben auch so unterschiedlich, denke ich. Jedes Mal steckte eine völlig andere Energie hinter dem Ganzen.
Woher kam damals dieser Antrieb, woher die Muße?
O: Vor allem aus den Möglichkeiten, die mir mein Computer bot. Ich war besessen davon, auszuloten, was mir diese digitale Welt zu bieten hatte, all die verrückten Dinge, die man aus den Plugins quetschen konnte. Es klingt für mich selbst etwas komisch, wenn ich das sage, aber im Endeffekt war es wirklich mein Computer, der mich inspirierte, diese Platte aufzunehmen, mit der ich im übrigen heute noch sehr zufrieden bin.
Die neue Platte klingt sehr modern und glatter, verströmt den heutigen Zeitgeist französischer Elektronik, auch wenn sie immer noch sehr dicht gestrickt und voller Ideen ist.
O: Die Idee ist immer noch das Wichtigste, wenn es darum geht, etwas Kreatives zu tun. Welches Werkzeug du dann genau benutzt, welchen Computer, welchen Synthesizer, welche Software oder ganz allgemein, welchen Weg du wählst, sie zu verwirklichen, ist eigentlich egal. Bei „Lambs Anger“ war z.B. die Idee Affenmusik zu machen.
Affenmusik?
O: Ja, die Platte wurde aufgenommen, ohne viel nachzudenken. Alles sollte sehr schnell gehen. Jeder Track wurde vielleicht in 2 bis 3 stunden, maximal aber einem Tag aufgenommen. Auf keinen Fall mehr.
2 Stunden sind vergleichsweise wenig. Man erzählt sich auch, dass du dir für Remixe nicht viel mehr Zeit nimmst.
O: Nun, ich denke wirklich, dass ich ein spezieller Künstler bin. Meine Person, mein Name ist wesentlich wichtiger als die Musik, wenn es um einen Remix geht. Vielleicht liege ich damit falsch, aber so nehme ich mich selbst wahr. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich schon eine Weile darüber nachdenke, bevor ich etwas in 2 stunden aufnehme. Dass es dann am Ende 2 Stunden sind, ist unwichtig. Es ist viel wichtiger, immer wach und aufmerksam zu sein.
Du bist jetzt auf Ed Banger, zusammen mit Justice, SebastiAn oder Uffie, deren neues Album du auch produzierst. Inwiefern hat dich bei dieser Art und Weise zu arbeiten auch dein neues Umfeld beeinflusst?
O: Eigentlich gar nicht. Ich meine klar, wenn ich auflege, spiele ich natürlich auch ihre Platten, aber für daheim ist das nichts. Manchmal gibt mir SebastiAn einen neuen Track und ich höre ihn das erste Mal, wenn ich ihn im Klub spiele. Wenn ich mir das Zeug auch noch zuhause anhören würde, wäre ich depressiv.
Warum?
O: Weil es zu laut und zu dumm ist. Ich kann verstehen, dass es sehr jungen Leuten gut gefällt, weil sie damit ihre Eltern vergraulen können, aber Musik für meine Anlage ist es auf keinen Fall.
Ist dir das nicht kreativ genug?
O: Doch, doch, es ist schon kreativ, aber es wiederholt sich ständig. Wenn du die ersten 20 Sekunden gehört hast, weißt du, wie es die nächsten paar Minuten weiter geht.
Deine Stücke sind immer relativ kurz und dicht gehalten. Um die zu spielen müsste man sich eigentlich Edits basteln.
O: Ja, genau, darum ging es mir. Ich wollte Tracks voller Kleinigkeiten machen. Die Leute picken sich eh die Teile raus, die sie mögen und basteln sich daraus etwas Eigenes. Das ist seit „Moustache“ Konzept.
Hast du selbst mal darüber nachgedacht, mit Ableton Liveoder ähnlichen Tools aufzulegen, um dem ganzen einen kreativeren Touch zu geben, einen, der deine Einstellung etwas besser widerspiegelt?
O: Nein, ich bin CD-DJ. Es kümmert mich nicht wirklich, was die Leute denken, weil die meisten eh nur kommen, um mich zu sehen. Ich muss diesen Teil meiner Arbeit nicht ernster nehmen als irgend notwendig.
Also geht es primär darum, Geld zu verdienen?
O: In gewisser Weise schon. Auf der anderen Seite trifft man natürlich auch Leute und kann seine Musik promoten. Vor 10 Jahren hätte ich auch nicht aufgelegt, weil jeder nur auf Technik schielte. Die hatte ich nicht. Damals hätte man mich wegen jedem Übergang verurteilt, heute interessiert das niemanden mehr. Im Grunde genommen spiel ich aber auch einfach genau dasselbe wie all die anderen auf Ed Banger.
Ed Banger ist heutzutage ein gewichtiger Bestandteil moderner, lauter Klubkultur, während dein voriges Label FCom immer etwas klassischer, stilbedachter wirkte. Wie nimmst du dich im Kontext dieser beiden Labels wahr?
O: Auf FCom war ich einer von vielen Musikern, habe aber eine besondere Stellung eingenommen. Ich war das schwarze Schaf, das anders war als der Rest des Labelrepertoires. Laurent Garnier hat mich damals unter Vertrag genommen, ohne genau zu wissen, was ich überhaupt mache. Beim zweiten Album konnte er sich auch nicht mehr wirklich begeistern. Es fehlte der Enthusiasmus, den ich als Künstler gebraucht hätte. Ich denke, das ist auch, warum es nicht mehr wirklich funktioniert hat. Bei Pedro Winter (Chef von Ed Banger) ist das anders, auch wenn wir sehr verschiedene Vorstellungen von Musik haben, hat er eine sehr einfache Art Enthusiasmus auszudrücken, die mir zusagt. Dort fühle ich mich diesbezüglich besser aufgehoben. So oder so, ein Label ist wichtig für die Distribution meiner Musik, und das funktioniert bei Ed Banger ganz gut.
Was du über das Label zu sagen hast, klingt sehr moderat und abgeklärt. Gibt es auch Kollegen, denen du dich nahe fühlst?
O: Es gibt schon Leute, die ich mag. SebastiAn z.B., der mir auch beim Soundtrack für „Steak“ geholfen hat, ist jemand, den ich schätze. Aber das hat jetzt nichts mit seiner Musik zu tun. Die ist natürlich auch gut, aber eben nicht immer nach meinem Gusto. Er ist auch noch sehr jung, hat auch definitiv großes Talent. Musik machen ist für mich aber auch eine Sache des Geistes, worüber man nachdenkt, wofür man sich interessiert, im weitesten Sinne eine besondere Kreativität. Heutzutage ist es sehr einfach gute, beeindruckende Musik zu machen, wenn man Piano spielen kann. Nimmt man z.B. Aphex Twin, dann hat man immer das Gefühl, das hinter seiner Musik etwas Geniales steckt, etwas Mysteriöses. Ed Banger Stuff dagegen ist sehr auf Spaß und Unterhaltung bedacht. Alles muss laut und aufregend sein, was ohne Zweifel seine Daseinsberechtigung hat, mir fehlt allerdings manchmal der Geist dahinter.
Das klingt ein bisschen so, als könnte das Auflegen dann für dich manchmal sehr schwierig sein.
O: Es kommt vor, dass es total deprimierend ist, aber, wie gesagt, es ist Teil meines Jobs, leicht verdientes Geld und gute Werbung. Schließlich hab ich eine Platte zu vermarkten.
Du bist zweifelsohne auch Teil einer regen französischen Szene, die von Daft Punk, Alan Braxe, Fred Falke in den 90ern bis zu neueren Acts, die jetzt auf Kitsuné, Institubes oder eben bei Ed Banger veröffentlichen, reicht. Was denkst du, wie sich das noch weiter entwickeln wird?
O: Dafür interessiere ich mich eigentlich nicht wirklich. Es gibt genug Menschen, die mich bis heute für einen Engländer halten, insofern hab ich auch nie wirklich etwas mit dieser French Connection anfangen können. Vielleicht handelt es sich dabei einfach eine Modeerscheinung, die in 6 Monaten schon wieder vorbei ist. Das wäre dann aber zumindest für mich auch nicht wirklich relevant.
Nun lässt sich aber nicht daran rütteln, dass zumindest der Spirit, sei es in Reinform oder als Inspiration für Genres wieNew Rave, Einzug in die Clubs gehalten hat.
O: Ja, das stimmt natürlich. Vielleicht passen Franzosen mit ihrer Art einfach ganz gut in die neue, musikalische Spaßgesellschaft. Vor vielleicht 5 Jahren war Clubmusik noch sehr langweilig, heute hingegen kommt es ein bisschen weniger auf das Können der DJs und mehr auf die gute Auswahl an. Das kommt poppiger, spaßiger Musik sehr entgegen.
Du vertrittst durchaus Thesen, mit denen man anecken könnte. Welchen Einfluss haben die alten und neuen Medien, z.B. Blogs und eZines, auf dich? Ist dir dein Bild in der Öffentlichkeit wichtig?
O: Nein, ich hab in erster Linie Interesse an meinem eigenen Blickwinkel. Ob jemandem meine Musik, meine Filme oder mein Leben gefällt, ist mir egal. Das hat absolut keinen Einfluss auf mich und meine Arbeit. Womit ich nicht sagen will, dass ich mir nicht anschaue, was über mich geschrieben wird. Manches ist gut, manches ist schlecht, aber am langen Ende ist es mir eben doch egal.
Apropos, dein letzter Film „Steak“ wird jetzt – fernab dessen, womit man gerechnet hätte – in Russland veröffentlicht. Wie kam es dazu?
O: Mein Produzent hat sich nie groß für den Film interessiert, er ist ja auch gefloppt. Warum er jetzt ausgerechnet in Russland erscheint, weiß ich nicht. Auf der anderen Seite ist es auch nicht mehr wichtig, weil „Steak“ für mich vorbei ist. Ich wende mich jetzt anderen Dingen zu.
Die da wären?
O: Ich werde einen Film („Realité“) machen, neue Musik einspielen. Alles so wie immer, bei mir wird sich nicht viel ändern.