Im Netz wird wieder einmal diskutiert, ob es richtig oder falsch ist, einen Werbeblocker zu nutzen. Anlass ist eine aktuelle,wenig aussichtsreiche Klage des Axel-Springer-Verlags. Zwar sind einige Praktiken des beklagten Anbieters von Adblock Plus fragwürdig, das Ausblenden von Werbung an sich ist jedoch vermutlich in Ordnung. Und wieder einmal drängt sich der Eindruck auf, dass, wenn inhaltlich nicht viel zu holen ist, die Moralkeule geschwungen wird.
Dieses Mal stand hierzu Karsten Lohmeyer, Editorial Director vonThe Digitale, einer Publikation der Deutschen Telekom, Gewehr bei Fuß. Er verkündete, als Journalist würde er sich eher einen Arm abhacken als einen Adblocker zu nutzen. Nicht zuletzt seien Anzeigen ja ein Teil des Geschäftsmodells des digitalen Journalismus. Und wer säge schon freiwillig an dem Ast, auf dem er sitzt? Applaus, Applaus.
Zwar klingt das zunächst schlüssig, lässt aber sowohl in Sachen Autoren- als auch Leserverständnis einiges zu wünschen übrig. Zunächst sind Journalisten nicht gerade bekannt dafür, gern auf einer digitalen Reeperbahn zu arbeiten. Viele Kollegen drucken ihre Texte zum Lesen sogar noch aus. Papier ist still und blinkt nicht. Die Natives wiederum lesen in RSS-Feedreadern, die einen Besuch auf der Webseite unnötig machen. AuchAnwendungen, die ein reizarmes Lesen ermöglichen, erfreuen sich bei der schreibenden Zunft nicht zufällig wachsender Popularität. Wer arbeiten will, braucht einen klaren Geist.
Wendet sich Lohmeyers Aufruf insgeheim also doch an den Leser? Verständlich wäre es, denn die Masse derer dürfte wesentlich mehr Einfluss auf die Einnahmen haben. Trotzdem muss man dem Leser doch mindestens so viel Souveränität wie beim guten alten Papier einräumen: Mit einem Wisch ist alles weg. Diese Möglichkeit ist leider auf den wenigsten Webseiten gegeben.
Das Problem der Werbung – sie nervt und bringt kaum Geld – ist wiederum ein selbst gemachtes. Frühzeitig verramschten Zeitungen im Netz sowohl ihre Artikel als auch die dazugehörigen Werbeplätze. So entstanden neben den „kostenlosen“ Bleiwüsten Billigbiotope, die nicht nur optisch unangenehm an die Hochzeiten der Klingeltonwerbung auf dem Musiksender MTV erinnern. Auch hier wollte niemand mehr frische, gut bezahlte Werbung schalten, nachdem der Crazy Frog das Kommando übernommen hatte. Der Ausgang ist bekannt.
Hüben wie drüben ist das Kind mehr in den Brunnen gestoßen worden, als dass es gefallen ist. Schuld daran waren allerdings gerade nicht Zuschauer oder Leser. Letztere können froh sein, dass sie durch Adblocker heute in die Lage versetzt werden, sich diesem teilweise wahnwitzigen Kuriositätenkabinett entziehen zu können, um ihrem Namen gerecht zu werden.
Anstatt also immer wieder neue, bigotte Appelle gegen Werbeblocker zu verfassen und den Fehler überall außer bei sich selbst zu suchen, sollten Medienschaffende die eigenen Vermarkter auf Kurs bringen und sich darauf konzentrieren, ein Umfeld zu erzeugen, das für die Leser und für hochwertige Werbung gleichermaßen attraktiv ist. Qualitätsjournalismus hat schließlich seinen Preis.
Eine Version dieses Textes erschien in Ausgabe 12/15 des Freitag